Gaskrieg
Die Haager Landkriegsordnung von 1907 war noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs sowohl von den Mittelmächten als auch von den Staaten der Entente und den USA ratifiziert worden und daher für diese Staaten bereits zu Kriegsbeginn bindend. Dass die Haager Landkriegsordnung den Einsatz von chemischen Kampfstoffen ausnahmslos verbietet, bestritten jedoch einige Juristen. Nach deren Auslegung untersage der Artikel 23 im Abschnitt a) „Gift oder vergiftete Waffen“ lediglich das Vergiften von Gegenständen, wie Wasser, Lebensmittel und Boden, und das Verschießen vergifteter Pfeile, nicht aber das von Geschossen, die Gift freisetzen. Und Abschnitt e) „Unnötige Leiden“ erlaube den Einsatz chemischer Waffen dann, wenn dies für einen militärischen Vorteil „nötig“ sei. Ferner fielen Reizstoffe nicht in diese Kategorie, seien demnach ohne Einschränkung erlaubt und wurden allein oder im Rahmen des Buntschießens mit potentiell tödlich wirkenden Kampfstoffen kombiniert.
Der Gaskrieg im IR 59
Mit dem Gaskrieg kam das IR 59 im Wesentlichen nur bei den Kämpfen um den Col del Rosso und in der Frenzellaschlucht in Berührung. Aktiv, also z. B. mit Gasgefüllten Handgranaten, kämpfte das IR 59 nie.
Österreichischer Einsatz von Giftgas
Die deutsche Führung war von der Erfindung des Chemikers Fritz Haber zwar nicht überzeugt. Dennoch genehmigte sie im April 1915 den ersten Angriff mit Giftgas. Ein Tabu war gebrochen.
Österreich-Ungarn setzte Giftgas im Ersten Weltkrieg ab Sommer 1916 an der Südfront gegen Italien ein. Kaiser Franz Joseph, der sich bis dahin geweigert hatte, den Einsatz von Giftgas zu genehmigen, wurde durch die Fehlinformation umgestimmt, italienische Truppen hätten als erste Giftgas eingesetzt.
Der erste Gasangriff österreichisch-ungarischer Truppen erfolgte am 29. Juni 1916 im Bereich das Mt. S. Michele vor der 6. Isonzoschlacht. Das Giftgas wurde dabei im „Blasverfahren“ von Druckflaschen unter Ausnützung der Windverhältnisse auf die gegnerischen Stellungen abgelassen. Über den Einsatz von Giftgas war schon vor dem Ersten Weltkrieg nachgedacht worden. 1912 regte Oberstleutnant Adolf von Boog die Einführung von Gasmunition an. 1916, nach dem Giftgas als Waffe schon weite Verbreitung gefunden hatte, beanspruchte Boog in einem Schreiben an das k.u.k. Armeeoberkommando die Urheberschaft.
Am folgenreichsten wurde Giftgas an der Südfront im Oktober 1917 zum Auftakt der 12. Isonzoschlacht eingesetzt. Anstatt der bisher von österreichisch-ungarischen Truppen verwendeten "B"- und "C"-Kampfstoffe, die die Italiener nicht mehr fürchteten, kam das von der Westfront stammende Verfahren des „Buntschießens“ mittels Gasminenwerfern zum Einsatz. Zur Unterstützung eines österreichisch-ungarischen Angriffes setzten deutsche Pioniereinheiten ab dem 24. Oktober 1917 in der Schlacht von Karfreit Gaswerfer mit 70.000 Grün- und Blaukreuzgranaten mit den an der Südfront neuen Substanzen Chlorarsen und Diphosgen ein. Die Gaswerfer wurden gezündet, um die Naklo-Schlucht südlich von Flitsch mit 5–6 Tonnen Grünkreuz zu füllen. Hierbei starb eine gesamte italienische Einheit. Major Graf von Pfeil und Klein Ellguth, der Kommandeur des deutschen Pionierbataillons 35, das den Gaswerferangriff bei Flitsch befehligte, beschrieb die Wirkung: „Bereits 10:15 vorm. wurden die Schluchten vollkommen gasfrei angetroffen und eine vollkommene Gaswirkung festgestellt. Nur vereinzelte noch lebende, schwer kranke Italiener wurden aus der vordersten feindlichen Stellung zurückgebracht, in der Schlucht selbst war die gesamte Besatzung, etwa 5600 Mann, tot. Nur wenige hatten die Masken aufgesetzt, die Lage der Toten ließ auf plötzlichen Gastod schließen. Es wurden auch verendete Pferde, Hunde und Ratten gefunden.“ Die deutschen und österreichisch-ungarischen Verbände hatten es dadurch erheblich leichter, den Durchbruch durch die italienische Front zu erreichen. Auch die psychische Wirkung war verheerend. Sehr viele Italiener ergaben sich den Angreifern, die Kampfmoral sank drastisch. Die italienische Front musste bis an den Piave zurückgenommen werden; zur Verstärkung wurden französische und britische Verbände an diese Front verlegt.
Im Juni 1918 versuchte Österreich-Ungarn in einer letzten Offensive, den Piave zu überschreiten. Der dabei durchgeführte Giftgas-Angriff war jedoch nicht erfolgreich, da zum einen die Italiener besser gegen Gasangriffe gerüstet waren und zum anderen ein Teil der chemischen Waffen zu lange gelagert worden war und damit seine Wirksamkeit verloren hatte.
In den Unterlagen des Sanitätschefs des 1. Korps befindet sich ein Hinweis über das Gasschießen in den letzten Kämpfen zwischen Brenta und Piave 1917.
Arten und Behandlung Stand 14/18
„Die Gaswirkung besteht im starken Tränenreiz, wodurch angeblich auch ein Mann erblindet sein soll, und Brechreiz. Die Gastoten wiesen starke Schaumbildung vor dem Munde auf.“ (ÖSTA, KA, NFA 12, I. Korps, San. Chef Tagebuch 5, Feldpost 21 v. 21.12.1917, fol. 58). In einem weiterem Bericht des k. u. k. Sanitätschef der 94. ITD an den Sanitätschef des 10. Armeekomandos vom 14.7.1917 kann man Folgendes lesen: „Zwecks Ausstattung der Hilfsplätze und Sanitätsanstalten mit therapeutischen Behelfen gegen Gasvergiftungen wird um folgende außertourliche Zuweisung gebeten: • 3 Infusionsapparate nebst Glasirrigatoren + Infusionsnadeln • 3 Kg Chlorcalcium crystallis • 1000 Stück Codeintabletten • 30 Flaschen Digalen a 15 cmm3 • 60 Phiolen Oleum camphoratum • 1000 Stück Calcium lactecum Pulver a 0,50 • 15 Sauerstoff-Flaschen einfacher Art mit Schlauch und Mundstück.“ (ÖSTA, KA, NFA, 94. ITD Tagebuch 1 und 3, , Inf. Div. Chef 25.12.1915- 30.09.1918).
Die militärischen Behörden waren bemüht, alle Soldaten in Erster Hilfe bei Gasverletzungen auszubilden. Vom Kriegsministerium wurde im März 1917 ein „Schützengrabenmerkblatt“ mit Verhaltensmaßregeln zum Thema „Gasangriffe“ verteilt. Wie hilflos die Medizin trotz allem 1918 den Kampfgasvergiftungen gegenüberstand, geht aus der Wiener Medizinischen Wochenschrift hervor. So beschrieb der Wiener Universitätsprofessor Zeynek die Schwierigkeiten einer rationellen klinischen Behandlung, solange nicht die Natur des Gases festgestellt war. Unter anderem sollte die Sauerstoffatmung bis auf „eintretende Cyanose“ nicht mehr angewendet werden.
Fazit des Einsatzes
Beim Gaskrieg während des Ersten Weltkrieges wurden rund 120.000 Tonnen Kampfstoffe von 38 verschiedenen Typen eingesetzt, wobei ca. 100.000 Soldaten starben und 1,2 Millionen Soldaten verwundet wurden. Als Beginn des Gaskrieges während des Ersten Weltkrieges und damit des systematischen Einsatzes von Giftgasen als chemische Waffen gilt der Einsatz von Chlorgas durch deutsche Truppen am 22. April 1915. Das von der Pariser Polizei für zivilen Einsatz entwickelte Tränengas Bromessigsäureethylester zeigte in seiner Anwendung durch französische Truppen im August 1914 kaum Wirkung. Es war im Gegensatz zu Chlorgas nicht tödlich und eigentlich nur für den Polizeieinsatz gedacht. Auslöser für den Gaskrieg war somit der von Deutschland gut vorbereitete Einsatz. In den folgenden Kriegsjahren brachten die Mittelmächte und die gegnerische Entente in den sich gegenseitig hochschaukelnden Eskalationen immer wirksamere chemische Waffen zum Einsatz.
Es wurden während des Krieges hunderte Gasangriffe durchgeführt und etliche Millionen Gasgranaten verschossen. Die Zahlen der Vergifteten und der Toten mit Einbeziehung der Spätfolgen, die der Gaskrieg letztendlich insgesamt forderte, lassen sich nur sehr ungenau beziffern. Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass von den 10 Millionen Toten des Krieges ca. 90.000 Tote (also 0,9 %) durch die Einwirkung von chemischen Kampfstoffen zu beklagen waren. Von den ca. 25 Millionen sonstigen Kriegsgeschädigtenwurde ca. eine Million von Gas vergiftet. Trotz der schrecklichen Wirkung von Lost war die Sterblichkeit hier sehr gering, wohingegen die meisten Gasopfer an Phosgen starben.
Der Giftgaseinsatz hatte also nicht den erwarteten Effekt und war am Anfang des Gaskrieges, als noch keine Schutzmaßnahmen existierten, am effektivsten. Insbesondere aufgrund der später immer besseren Schulung und Ausrüstung der Soldaten führte der Gaseinsatz nur noch zu geringen Verlusten unter den gegnerischen Soldaten. Die prozentual relativ geringe Zahl der Todesfälle durch Gaseinsätze zeigt das recht deutlich. Demgegenüber stand eine aufwendigere Produktion der Gase, z. B. wurde in Frankreich extra eine chemische Industrie aufgebaut, um Chlor produzieren zu können.
Eine ganz massive Wirkung des Gaseinsatz war zweifellos der erzielte psychische Druck auf die Soldaten. Diese mussten ständig aufmerksam sein, um im Falle eines Einschlages einer Gasgranate sofort die Gasmaske aufzusetzen. Auch war die allgegenwärtige Gefahr, im Schlaf durch Gas getötet zu werden, zweifellos eine erhebliche Belastung. Relativierend kann man hier bemerken, dass auf dem Schlachtfeld, auf dem permanent mit Angriffen und/oder Artilleriebeschuss zu rechnen war, der psychische Druck sowieso enorm hoch war. Dennoch war der Gasangriff zweifellos einer der Albträume jedes Soldaten, da man sich ihm, im Gegensatz zum Artillerieangriff nicht präventiv entziehen konnte, z. B. durch den Bau von Bunkern. Gegen Gas gab es kein Gegenmittel, nur Schutz, nämlich die Gasmaske. Ferner beeinträchtigte allein schon das Tragen der Masken, unter denen Atmung und Sicht erschwert waren und man – gerade auch im Sommer – stark schwitzte, die gegnerische Kampfkraft.
Als weiteres Argument gegen die Wirksamkeit/Effektivität des Gaskriegs lässt sich die Tatsache nennen, dass im Zweiten Weltkrieg kein Gas eingesetzt wurde. Dies lässt sich nur begrenzt mit einer Furcht vor Vergeltungsgasangriffen begründen. Der Historiker Sebastian Dörfler sieht den Hauptgrund darin, dass der Zweite Weltkrieg in weiten Teilen ein Bewegungskrieg war, wohingegen Giftgas speziell im Graben- und Stellungskrieg seine größte Wirkung entfalten konnte.
Bezeichnungen für Kampfstoffe
Für die wichtigsten Kampfstoffe gab es besondere Bezeichnungen, die sich durch die Kennzeichnung der Granaten und Gasbehälter durch farbige Kreuze verbreiteten.[15] Die farbigen Kreuze waren in erster Linie als Hinweis auf die Wirkung des betreffenden Kampfstoffes auf den Feind gedacht, und weniger als genaue chemische Inhaltsangabe.
"Blaukreuz"
Diese Kampfstoffe durchdrangen die Atemschutzfilter der damaligen Gasmasken und wirkten stark reizend, so dass sich die Betroffenen die Gasmasken herunterrissen (Maskenbrecher) und dann gegen weitere Angriffe mit Lungenkampfstoffen (Grünkreuz) ungeschützt waren. Eine Abhilfe brachten zusätzliche Filterscheiben (als Schnappdeckel bezeichnetes Blaukreuz-Vorfilter), diese erschwerten aber das Atmen sehr.
Häufig wurden Granaten verwendet, um Blaukreuz auch über weitere Entfernungen zielsicher zum Einsatz zu bringen. Dazu wurden mit dem festen Kampfstoff gefüllte kleine Flaschen in die Granate eingesetzt und mit geschmolzenem Sprengstoff umgossen. Bei der Explosion zerstäubte der Kampfstoff zu einem Aerosol.
Im deutschen Heer (Kaiserreich) unterschied man zwischen der Blaukreuz- und der Blaukreuz-1-Granate. In der Blaukreuzgranate wurde Diphenylarsinchlorid verwendet, während in der Blaukreuz-1-Granate Diphenylarsincyanid und Gemische dieses Stoffes mit Phenylarsindichlorid zum Einsatz kamen.
"Gelbkreuz"
Gelbkreuzgranaten, auch Gelbkreuzkampfstoff, waren Hautkampfstoff tragende Granaten, die im Ersten Weltkrieg verwendet wurden, um Giftgas über weitere Entfernungen zielsicher zum Einsatz zu bringen. Die Bezeichnung als „Gelbkreuz“ stammt daher, dass die Granaten während des Ersten Weltkrieges mit Kreuzen oder Ringen in gelber Farbe gekennzeichnet wurden.
Für Gelbkreuzgranaten wurde S-Lost und N-Lost, das auch als Senfgas bezeichnet wurde, verwendet. Loste sind in reiner Form bei Raumtemperatur Flüssigkeiten; die Bezeichnung als Gas trifft also nicht im strengen Sinne zu. Lewisit wäre ebenfalls dieser Kategorie hinzuzufügen, wurde aber erst am Ende des Ersten Weltkrieges entdeckt und kam in diesem nicht mehr zum Einsatz.
Zu einem Angriff mit Gelbkreuz kam es erstmals in der Nacht vom 12. Juli 1917 bei einem Angriff der deutschen auf die britischen Truppen bei Ypern. Von diesem Angriff leitet sich auch der Name Yperit (Dichlordiethylsulfid) ab.
"Grünkreuz"
Grünkreuzgranaten waren Lungenkampfstoff tragende Granaten, die im Ersten Weltkrieg verwendet wurden, um Giftgas über weitere Entfernungen zielsicher zum Einsatz zu bringen.
Die Bezeichnung Grünkreuzgranate stammt daher, dass die deutschen Granaten mit grüner Farbe gekennzeichnet wurden. Die Kappe des Zünders war grün lackiert und auf dem Boden der Kartuschen befand sich ein grünes Kreuz.
Für Grünkreuzgranaten wurden Phosgen, Diphosgen und Chlorpikrin als Kampfstoffe verwendet. Später wurden ganz allgemein Lungenkampfstoffe mit Grünkreuz bezeichnet.
Zum Einsatz kam es erstmals am 31. Mai 1915 bei einem Angriff der deutschen Truppen auf französische Einheiten bei Ypern. Hierbei wurde es in einer Mischung aus 95 % Chlorgas und 5 % Phosgen eingesetzt. Bald wurde zum wirksameren reinen Phosgen übergegangen.
"Rotkreuz"
Rotkreuz oder Nesselstoffe (auch „Gelbkreuz 3“) sind chemische Kampfstoffe mit vielfältiger Giftwirkung. Chemisch handelt es sich dabei um halogenierte Oxime. Sie sind stark reizerregende, auf den oberen Atemtrakt wirkende, lungenschädigende und zu Hautschädigungen führende Substanzen. In Deutschland wurde vor dem Zweiten Weltkrieg besonders Dichlorformoxim (Phosgenoxim, Dichlorformaldoxim) untersucht.
Die Wirkung auf die Haut tritt ohne Latenzzeit ein und äußert sich in Brennen auf der Haut, Quaddelbildung (ähnlich der, die bei Kontakt mit Brennnesselnauftritt) und Schwellungen bis zu Entzündungen. Die Folgen der Reizwirkung auf die Augen sind sofortiger starker Tränenfluss, Augenschmerzen, Beeinträchtigung der Sehschärfe und Hornhaut- und Bindehautentzündungen.
An den oberen Atemwegen zeigt sich die Reizwirkung in sofortigen Hustenanfällen. Nach Inhalation ist die Wirkung mit der des Phosgens vergleichbar, es entsteht ein Lungenödem.
Die halogenierten Oxime sind chemisch instabil, eignen sich aber aufgrund des sofortigen Wirkungseintrittes als nichtpersistente Kampfstoffe, besonders in Überraschungsmomenten.
Einzig Phosgenoxim, der bekannteste Vertreter dieser Kampfstoffklasse, wurde militärisch hergestellt. Die Kampfstofflagerung und die Munitionierung bereiteten jedoch große Probleme. Phosgenoxim wirkt auf Stahl, Aluminium und Kunststoffe äußerst korrosiv. Es musste daher in emaillierten Behältern gelagert werden. Auch zersetzt sich der Kampfstoff bereits nach kurzer Lagerungszeit. Der Kampfstoff wurde zu keiner Zeit großtechnisch hergestellt und gelagert.
"Weißkreuz"
Weißkreuz diente als Bezeichnung für augenschädigende Kampfstoffe wie Tränengas aus Brom- und Chloraceton, welche zu den ersten eingesetzten chemischen Kampfstoffen des Ersten Weltkrieges gehörten.
"Buntschießen"
Als Buntschießen oder „Buntkreuz“ wurde der gleichzeitige Einsatz verschiedener chemischer Kampfstoffe bezeichnet, um deren Wirkung zu erhöhen. Besonders in der Spätphase des Ersten Weltkrieges wurden Kampfstoffe häufig kombiniert per Giftgasgranaten eingesetzt. Stark reizend wirkende Kampfstoffe wie Blaukreuz durchdrangen zunächst die Filter der Gasmasken und zwangen die Träger, die Gasmaske abzunehmen. Gleichzeitig eingesetzte lungenschädigende Kampfstoffe wie Grünkreuz bewirkten den Tod oder die Kampfunfähigkeit der Betroffenen.
Wirkungsweise der Kampfgase
Chlor
Chlor ist ein Lungenkampfstoff. Chlor bildet bei Kontakt mit Wasser Salzsäure und diese wirkt stark reizend auf die Schleimhäute Atemwege, Augen und Verdauungswege. Chlor wirkt zersetzend auf die Körpereiweiße. Tod durch Lungenödem.
Phosgen
Phosgen ist ein Lungenkampfstoff. Bei Kontakt mit Wasser zersetzt sich Phosgen zu CO2 sowie Salzsäure. Dadurch wird die Lunge zersetzt, und der Tod tritt durch Lungenödeme ein.
Chlorpikrin
Chlorpikrin ist ein Lungenkampfstoff. Wie bei den anderen Lungenkampfstoffen tritt der Tod durch Bildung eines Lungenödems ein.
Diphosgen
Siehe Phosgen, durch Wärme wird es zu zwei Phosgen-Molekülen zersetzt.
Senfgas/Lost
Senfgas (Lost) ist vorrangig ein Hautgift, hat aber ebenso eine Lungengiftwirkung. Loste sind in reiner Form farb- und geruchlose Flüssigkeiten. Die Bezeichnung als Gas für diese Substanzen trifft also nicht im strengen Sinne zu. Der Name „Senfgas“ stammt vom typischen Geruch des nicht hochgereinigten Produktes nach Senf oder Knoblauch. Lost durchdringt Textilien und vielerlei Stoffe. Dieser Kampfstoff ist augen-, lungen- und hautschädigend. Lost behindert die Zellteilung, hemmt die weißen Blutkörperchen und führt ebenso zu Erblindung.
Blausäure
Blausäure ist ebenso wie Senfgas/Lost ein Kontaktgift, welches auch eingeatmet werden kann. Das Säureanion der Blausäure, das Cyanid-Ion(CN−), hemmt die Atmungskette innerhalb des Körpers und führt zu einem inneren Erstickungstod.
Clark-Gruppe
Clark ist ein Reizstoff, der den Rachenraum reizt. Des Weiteren ist er ein Brechmittel. Er zwingt somit zum Absetzen der Gasmaske (um dann das eigentlich tödliche Gas einzuatmen).
Der Gaskriege aus deuscher Sicht
Einsatz von Tränengas
Ebenso wie in Frankreich wurden in Großbritannien Pläne zu einem Tränengas- und Stickgas-Einsatz entworfen. Tränengase wie Chloraceton und Benzylchlorid und ebenso Gase wie Schwefeldioxid wurden für den Einsatz erwogen. Die Anfänge des Gaskrieges liegen in der Verwendung von Tränengas durch Frankreich. Mit dessen Hilfe sollte der Feind aus seinen Deckungen in den Feuerbereich der konventionellen Waffen getrieben werden. Schon vor 1914 wurden in Frankreich die sogenannten cartouches suffocantes (Erstickungspatronen) für die Polizei entwickelt. Diese mit einer Signalpistole zu verschießenden Kartuschen waren mit 200 g Bromessigsäureethylester gefüllt, welches im offenen Gelände aber nahezu wirkungslos war. Beim Angriff auf Befestigungen und im Häuserkampf war dieses Tränengas jedoch effektiv einsetzbar.[3] Somit setzten die französischen Soldaten die ab 1912 produzierten Gewehre der Polizei und deren Munition ein. Das Bromessigsäureethylester wurde wegen der Knappheit an Brom dann durch Chloraceton ersetzt, was ebenso in Granaten und Geschosse abgefüllt wurde.
Auf deutscher Seite hatte es Versuche mit dem potentiell tödlich wirkenden Phosgen bereits kurz vor oder nach Kriegsbeginn gegeben, indem auf dem Schießplatz bei Wahn von Flugzeugen entsprechende Bomben abgeworfen wurden. Wegen technischer Probleme beließ man es allerdings zunächst dabei. Major Max Bauer, Artilleriefachmann und Leiter der „Sektion II für schwere Artillerie, Minenwerfer, Festungen und Munition“ der Obersten Heeresleitung, hatte dann im September 1914 dem preußischen Kriegsminister und Chef des Großen Generalstabs Erich von Falkenhayn vorgeschlagen, eine bei längerer Kriegsdauer zu befürchtende „Sprengstofflücke“ dadurch zu kompensieren, dass man ohnehin bei der Sprengstoffproduktion anfallende Vorprodukte wie etwa Chlorgas als chemische Waffen einsetzte. Dabei dachte Bauer an Geschosse, die „durch eingeschlossene feste, flüssige oder gasförmige Stoffe den Gegner schädigen oder kampfunfähig machen“ sollten. Das war auf deutscher Seite der Einstieg in den Einsatz chemischer Kampfstoffe: Falkenhayn griff die Anregung sofort auf. Er fragte Walther Nernst nach seiner Meinung. Nernst sagte seine Mitarbeit zu und gewann für das Vorhaben außerdem Carl Duisberg, Chemiker, Miteigentümer und Generaldirektor der damaligen Farbenfabriken Friedrich Bayer & Co (FFB) in Leverkusen.[4][5] Das Kriegsministerium setzte im Oktober 1914 die Nernst-Duisberg-Kommission ein, zu der auch Fritz Haber gehörte. Er sollte von der wissenschaftlichen Seite aus für die Erforschung und Entwicklung chemischer Waffen maßgeblich werden, unterstützt von weiteren Nobelpreisträgern wie Emil Fischer, James Franck, Otto Hahn, Gustav Ludwig Hertz, Max Planck, Johannes Stark und Richard Martin Willstätter.
Bereits im Oktober 1914 wurde auf Grund von Versuchen der Kommission auf dem Schießplatz in Wahn bei Köln das „Ni-Geschoss“ entwickelt, das bei der Detonation eine pulverförmige Kombination von Dianisidin-Chlorhydrat und Dianisidinchlorsulfonat (Ni-Mischung) freisetzte, welche Augen und Atemwege reizte und den Tarnnamen „Niespulver“ erhielt. Organisiert durch Duisberg wurden in wenigen Tagen große Stückzahlen dieser Granaten hergestellt und unter der Aufsicht Nernsts schon am 27. Oktober 1914 an der Westfront bei Neuve-Chapelle gegen den Feind erstmals eingesetzt. Es kam aber zu keiner nennenswerten Beeinträchtigung des Gegners. Ähnlich wirkungslos blieben beim Fronteinsatz am 31. Januar 1915 an der Ostfront nahe Bolimów bei Warschau Granaten, die den flüssigen, langsam verdampfenden Augenreizstoff Xylylbromid enthielten und, da sie auf Forschungen des Chemikers Hans Tappen beruhten, „T-Granaten“ genannt wurden, sowie später Geschosse mit anderen Reizstoffen. Das Verschießen von Reizstoff-Granaten wurde auf Betreiben Nernsts bald ergänzt und abgelöst durch das Verschießen großer mit Reizstoffen gefüllter Trommeln oder Kanister. Er entwickelte hierfür geeignete pneumatisch angetriebene Minenwerfer und überzeugte sich beim ersten Fronteinsatz dieser Waffe am 30. Juli und 1. August 1915 von der Wirkung, indem er gefangene Gegner untersuchte.
Fritz Haber propagiert Chlorgas
Haber hatte bereits Ende 1914 vorgeschlagen, aus Druckflaschen das potentiell tödlich wirkende Chlorgas auf die gegnerischen Stellungen abzublasen. Haber drängte auf Chlor, da es sehr giftig und in ausreichenden Mengen verfügbar war. Die BASF konnte so das in hohen Mengen anfallende Chlorgas, welches ein Abfallprodukt war,[8] gewinnbringend verwerten. Die Tagesproduktion an Chlor betrug zu diesem Zeitpunkt bereits 40 Tonnen. Des Weiteren konnte es gefahrlos transportiert werden. Von einigen Offizieren und Chemikern wurde der Gaseinsatz stark in Frage gestellt, allerdings nicht aus ethisch-moralischen Erwägungen heraus. Kritisiert wurde die Windabhängigkeit beim Abblasen und nicht das Abblasen an sich. Da allerdings kein anderes Verfahren der Anwendung an der Front so ausgereift war wie das Blasverfahren, wurde es trotz des an der Westfront vorherrschenden Westwindes eingesetzt. Der bayerische Kronprinz Rupprecht von Bayern gab außerdem (am 1. März 1915) zu bedenken, dass, „wenn es sich als wirksam erweise, der Feind zum gleichen Mittel greifen würde und bei der vorherrschenden westöstlichen Windrichtung zehnmal öfter gegen uns Gas abblasen könne, als wir gegen ihn“. Man ging aber von fehlenden Produktionskapazitäten der Alliierten, insbesondere Frankreichs, aus. Haber notierte nach einem Test des Chlorabblasens:
„Das Gas blies vorschriftsmäßig ab, da plagte uns der Teufel und wir beide ritten, versuchsweise‘ in die abtreibende Gaswolke hinein. Im Augenblick hatten wir in dem Chlornebel die Orientierung verloren, ein wahnsinniger Husten setzte ein, die Kehle war wie zugeschnürt […] in höchster Not lichtete sich die Wolke und wir waren gerettet.“
Dieses Zitat Habers wurde sehr häufig zur Rechtfertigung des Chloreinsatzes benutzt, um zu zeigen, dass Chlor nicht tödlich, sondern nur stark reizend sei und Deutschland somit durch den Einsatz von Giftgas nicht die Haager Konvention verletzt habe.
In einem vermutlich auf Gerüchten basierenden Feldpostbrief des deutschen Majors Karl von Zingler wird behauptet, dass der erste deutsche Chlorgas-Einsatz dieser Art schon vor dem Januar 1915 stattfand: „Rousselare 2. Januar 1915 […] Auf anderen Kriegsschauplätzen ist es ja auch nicht besser und die Wirkung von unserem Chlor soll ja sehr gut gewesen sein. Es sollen 140 englische Offiziere erledigt worden sein. Es ist eine furchtbare Waffe […].“ Für eine derartige Aktion zu diesem frühen Zeitpunkt sind allerdings bislang keine weiteren Bestätigungen greifbar. Der erste gesicherte Einsatz von Chlorgas erfolgte am 22. April 1915 durch das Pionierregiment 35 in der Zweiten Flandernschlacht bei Ypern und gilt als eigentlicher Beginn des Gaskrieges. Das Gas wurde in 6.000 Flaschen zu 40 kg und in 24.000 Flaschen zu 20 kg an die Westfront geliefert. (Chlor wird verflüssigt (20 °C: Dampfdruck 6,7 bar) in Stahlflaschen gehandhabt, da es – wasserfrei – Eisen nicht angreift.) Ab dem 10. März 1915 waren die Randbedingungen für den Einsatz des Gases beim südlichen Ypernbogen getroffen worden, wurden aber wegen technischer Probleme, Feindbeschuss, Reparaturen und Einbaus zusätzlicher Flaschen in den Nordbogen bei Ypern verschoben. Die Vorbereitungen wurden am 11. April 1915 endgültig fertiggestellt. Am 22. April 1915 um 18:00 Uhr konnte das Gas bei Nordostwind abgeblasen werden. Den Befehl zum Einsatz gab General Berthold Deimling – entgegen dem Rat aller seiner Regimentskommandeure, aber vor Ort technisch unterstützt durch Haber und weitere Wissenschaftler. Deimling (ab 1913 Kommandeur des XV. Armee-Korps) wurde als 'Schlächter von Ypern' bekannt. Seine Truppen ließen bei günstiger Windrichtung 150 Tonnen Chlorgas abblasen. Es bildete sich eine 6 km breite, 600–900 m tiefe Gaswolke, die auf die französischen Truppen zutrieb. Die Folge waren mehrere tausend Mann Verluste auf alliierter Seite und ein Mehrfaches an Schwerverletzten. Deutsche Sturmtruppen, die selbst nur mit Natriumthiosulfat- und Sodalösung getränkten Mullkissen geschützt waren, starteten einen erfolgreichen Angriff. In Deutschland wurde das als „Tag von Ypern“ gefeiert, selbst Lise Meitner gratulierte „zu dem schönen Erfolg“. Habers Frau Clara Immerwahr dagegen, die nicht nur die erste promovierte Chemikerin in Deutschland, sondern auch Pazifistin war und vergeblich gegen das Giftgasprogramm ihres Mannes protestiert hatte, nahm sich kurz darauf aus Trauer darüber das Leben.
Nachdem die deutschen Truppen mit diesem Gasangriff einen kleinen militärischen Erfolg errungen hatten, waren nun einige der Bedenken gegen Giftgas vom Tisch. Gegen die Briten erfolgten bei Loos-en-Gohelle am 1., 6., 10. und 24. Mai weitere Blasangriffe. Während des Ersten Weltkrieges wurden ca. 50 Blasangriffe von den Deutschen geführt, bei denen durch wechselnde Windrichtung teilweise auch eigene Truppen gefährdet wurden. Den mengenmäßigen Höhepunkt der Blasangriffe stellen der 19. und 20. Januar 1916 dar. Bei diesem Angriff wurden 500 Tonnen Chlor bei Reims abgeblasen. Nach dem wohl effektivsten Blasangriff der k.u.k. Armee gegen die Italiener waren am 29. Juni 1916 bei St. Michelle del Carso ca. 5000–8000 Tote zu beklagen. Alle kriegführenden Nationen, vor allem Deutschland, stellten die Blasangriffe zugunsten neu entwickelter Gasgeschosse ein. So sollte ein von Wind und Wetter unabhängiger Gaseinsatz ermöglicht werden.
In einem weiteren Schritt sorgte die Nernst-Duisberg-Kommission dafür, dass dem abgeblasenen Chlorgas in zunehmender Konzentration Phosgen hinzugefügt wurde. Sowie die deutschen Soldaten durch Arbeiten von Richard Willstätter mit Schutzmasken versorgt waren, welche vor Chlorgas und Phosgen schützten, war der routinemäßige Einsatz von Phosgen als Beimischung zu Chlorgas ohne Risiko für die deutsche Seite möglich. Erstmals geschah dies Ende Mai sowohl an der Westfront gegen französische Soldaten als auch an der Ostfront bei Bolimov an der Bzura, wo bereits 240 Tonnen Chlorgas, dem bis zu ca. 5 % Phosgen beigemischt war, abgeblasen wurden. Weitere Angriffe dieser Art an der russischen Front waren am 12. Juni und 6. Juli 1915. Über den Einsatz vom 12. Juni 1915 berichtete Otto Hahn später so:[13] „Ich war damals tief beschämt und innerlich sehr erregt. Erst haben wir die russischen Soldaten mit Gas angegriffen, und als wir dann die armen Kerle liegen und langsam sterben sahen, haben wir ihnen mit unseren Rettungsgeräten das Atmen erleichtern wollen, ohne jedoch den Tod verhindern zu können.“
Ein weiterer großer Blasangriff an der Westfront mit einer Chlor-Phosgen-Mischung erfolgte am 19. Dezember 1915 bei Wieltje in Flandern gegen die Briten mit 180 Tonnen Giftgas.
Außerdem wurden Chlor-Chlorpikrin-Gemische abgeblasen, wobei der erste Angriff mit Chlorpikrin von den Russen geführt wurde.
Fritz Haber beurteilte nach dem Ersten Weltkrieg den Einsatz chemischer Kampfstoffe so: „Der Vorteil der Gasmunition kommt im Stellungskrieg zu besonderer Entfaltung, weil der Gaskampfstoff hinter jeden Erdwall und in jede Höhle dringt, wo der fliegende Eisensplitter keinen Zutritt findet“