RUO 1.Kl. Ammerer Johann

 

Das Tagebuch

 
Ku.k. Infanterieregiment Nr. 59
Rechnungs-Unteroffizier I. Klasse
Hans Ammerer
Verwaltungs-Kommission beim Stab
Feldpostamt Nr. 64
Verschiedene Erinnerungen
an die Kriegszeiten
Beginn mit der 2ten
Fahrt ins Feld. 00

 

Garacza, 4. Nov. 15

Seit 1. Feber zum 2ten mal im Felde.
2. In einem Karpathenort nachts angelangt. Es war sehr kalt. Übernachtet in einer luftigen von den Russen zerstörten Mühle.
3. Weitermarsch zum Regimente. 2 Tage ununterbrochen marschiert, bis wir am
4. nachm. nach Gwozdiez zum Infantrietrain gekommen sind. Nächsten Tag Kirchengang. Herrn Hauptmann ( Schram Josef RechnF. ) ließ mich einrücken ging nicht besonders gerne. Nächsten Tag durch Zakliczyn nach Jamiuka - Janowieze ?, dann abends zurück nach Luslawice wo ich den nächsten Tag die zweite Kompanie übernommen habe. Der Dienst machte mir anfangs ziemlich warm, doch schnell war ich eingearbeitet. Dienstbeflissen ging ich jeden Tag zum Kompaniekommandanten in die Deckung, eigentlich fühle ich mich doch nicht gar so wohl, obzwar ich keinen Anstand hatte. So vergingen vier Wochen. Die Bude war mir trotzdem die Leute dort höchst schweinisch und unfreundlich waren doch beinahe lieb geworden. Die Hauptsache war, dass doch fast jeden Tag der Oberleutnant am Tisch stand, wenn ich um 9 oder 10 Uhr von der Stellung heim kam. Überreiter mit dem ich zusammen war, ist wohl öfters recht übermütig gewesen. Eines Tages schlugen einige Granaten in der Nähe unseres Hauses ein, sonst war gewöhnlich Ruhe, bis die neue Stellung am Berg von meiner Kompanie besetzt wurde. So vergingen vier Wochen. Anfangs März abends Alarm. Jetzt ging’s in die Karpathen. Wieder die ganze Nacht durchmarschiert. Es wurde fest geschossen, ein Mann war nur verwundet, der russ. Scheinwerfer wollte uns gar nicht auslassen. Nächsten Tag kamen wir vollständig durchnässt bei einem großen Maierhof an. Schlief warm in einer Scheune. Von dort ging es weiter nach Grodek. Waren in einer sehr großen Bauernstube eingenistet. Das Regiment hatte Ruhe. Die Leute dort waren recht brav. Fünf Tage waren vergangen. Wieder abends Alarm, auf sehr schlechten Wegen über ziemliche Berge wie eine Karawane langsam ohne Licht mit den Fahrküchen ziemlich nahe in den Schussbereich der feindlichen Artillerie gekommen. Besonders in der Früh, als bei einem Schlosse, wir waren gedeckt durch einen Hügel, die Schrapnell und Granaten von den Russen über uns fliegen ließen. Ein weißer Fellmantel kam mir bei diesem kalten Wetter sehr zu gute. Ein heftiger Art. Kampf dauerte auch den nächsten Tag noch an. Sehr viele Verwundete kamen uns entgegen. Ich schlief mit den anderen Rivin einem ganz guten Zimmerl, jedoch nachts wurden wir von Offizier herausgeschafft. Schlief dann in einem Schweinestall weiter. Wieder Alarm, dann ging es nochmals zurück nach Grodek. Einen Tag waren wir noch in demselben alten Quartier. Am Abend und die ganze Nacht ging es durch ein wunderschönes Talbett. Links und rechts steile Felsen, unten der Bach, dies alles war in der mondhellen Nacht recht heimatlich. Nun sahen wir die Karpathen zum erstenmal in ihrer wilden Schönheit. Noch weiter kamen wir in das Tal. In Smerekowice, so hieß der Ort, ging das Rgt. in Stellung. Wir waren eine halbe Stunde hinter der Schwarmlinie in einem sehr kleinen Häusl einquartiert, ein sehr alter Mann der recht gemütlich spinnte am Ofen, und eine Frau die besonders zu mir recht gut war, erinnern mich an die damals ganz angenehmen Abende. Einmal abends als ich von meinen Oberleutnant zur Küche gehen wollte, verirrte ich mich von dem bergigen Gelände so weg, dass ich schon beinahe den unrichtigen Weg eingeschlagen hatte, wie leicht wär dies möglich gewesen, so finster war die Nacht und die russische Schwarmlinie nur 5-600 Schritte entfernt. Beim Menage ausgeben schoss der Schuft einmal herein, sodass wir uns eiligst verzogen haben. Das Schulgebäude, wo das Rgtskmdo war, wurde mit einem Volltreffer arg hergerichtet. Da es für uns zu gefährlich wurde, mussten wir weiter zurück nach Kwiaton. Als wir hinkamen, hatte der Russ den Berg ober uns noch fest besetzt. Skodageschütze beschossen ihn aber eines Tages so arg, dass er eilig ausziehen musste. Ich sah die braunen Kerle ganz deutlich mit freiem Auge, wie sie sich aus den Deckungen herausarbeiteten und schleunigst über die anstoßende Schneefläche dem Wald zuliefen. In Kwiaton gab es manchmal ganz frohe Abende, Vino war da und heißeKost kam. Einmal auch als wir abends zur Kompanie fuhren, sank die Küche bis über die Achsen in die ganz durchweichte Straße, furchtbar finster war's. Licht durfte keins angezündet werden und so werkten wir halt herum bis endlich eine andere Küche kam und uns vorspannte, dann rissen wir's heraus. Herzlich froh war ich immer, wenn wir den Heimweg antreten konnten. Meistens ging ich allein diesen weiten Weg in der stockfinsteren Nacht. Auf den linken Bergen des Tales waren die Russen, wegen den Feldwachen war es manchmal unheimlich bis man diesen langen Weg bis Kwiaton passierte.
Am 3. April kam dann die Ablösung. Es war gerade ein recht schöner Tag als ich die Reise nach Ropa antrat. Ich war so froh, von dem Kompaniedienst erlöst zu sein. Rechnete schnell ab und Nachmittag zog ich zum Leidwesen meiner anderen Kollegen ab. Recht vergnügt wanderte ich den vier Stunden langen Weg, ich war zufrieden, dass der Kanonendonner hinter mir immer mehr verschwand. Nun ging es wieder zur neuen Arbeit. Herr Hauptmann war recht gut mit mir und sagte mir unter anderem, dass er hoffe, dass ich nun bis zum Ende des Krieges bei ihm aushalten werde. In unserer Hütte am Berg ging es manchmal ganz übel um, Tee gab es fast jeden Tag. Reisenbichler ( Karl, Maler und Radierer erstellte die Postkarte auf der Ammerer zu sehen ist. ) lernte ich kennen, der uns kochte und fleißig fotografierte der Frühling es war
24. April als wir eines Tages in der Früh abmarschierten in der Richtung Zakleczin. Deutsche Brüder, das bayrische Korps, marschierte gegen Gorlice. Es war eine innige Freude und Begrüßung, schön gesungen haben sie und marschiert sind sie wie wir am Exerzierplatz so stramm. Wir kamen nach Grybow. Die darauffolgende Nacht war etwas gefährlich wir kamen in den Bereich der russische Artillerie die beim Tag die großen Bahngebäude fürchterlich zerschossen. Auch Deutsche hatten Tags zuvor dort mehrere Verluste. Doch gut sind wir hinüber gekommen und entschieden haben wir leicht aufgeatmet, als wir zu unserer Skoda kamen. Wir übernachteten in einem schlechten Quartier, den nächsten Tag passierten wir Zakliczyn und kamen gegen Mittag nach Gwozdiec. Hoch am Berg waren wir acht Tage, immer marschbereit. Schrapnellkugeln flogen auf unser Dach, wie ein russischer Aeroplan beschossen wurde. Es waren dort herrliche Tage, die Bäume blühten, der Mai war gekommen. Unten am Fuße des Berges stand der große Mörser und viele, viele Geschütze. Man sagte in dem Talkessel allein weit über 1000. Am zweiten Nachmittag ging die fürchterliche Offensive los. Geschossen wurde ganz unheimlich, fast jedes Geschoß sah man krepieren und einschlagen, ganz schauerliche Wirkungen. Auch die Russen schossen damals mit Schwerer. So kam der Abend und mit diesem auch das Gewaltigste, was ich im ganzen Kriege erlebte. Mir ließ es keine Ruhe mehr. Die Geschütze brummten wie eine Trommel, Gewehrfeuer war gerade als ein heißes Schmalz überlaufen würde, die ganze Front griff an. Ängstlich war mir und eine Bangigkeit erfasste mich mir erbarmten die draußen furchtbar, ich musste gehen, es war schon finster, als ich zur Höhe kam. Das Feuer wurde immer noch mehr. Unheimlich, schrecklich war dieses Schauspiel anzusehen. Ein Donnern und Kreischen aus hundert Schlünden und 1000 und aber 1000 Gewehrläufen. Selbst wollte ich dabei sein und völlig ungerecht fand ich mein Schicksal, das mich außer dieser Gefahr ließ. Furchtbarer Zorn erfasste mich, doch immer ärger wurde der gewaltige Angriff. Hell aufleuchtende Schrapnells inzwischen das Spiel der Scheinwerfer machte die traurige Nacht noch geheimnisvoller. Endlich brach ich auf, ganz gedankenschwer den Berg hinunter, ich war seelisch sehr …., sodass mir das Lustigsein meiner Kollegen wirklich nicht passte. Bis in die späte Nacht hinein dauerte das verheerende Feuer.
 
Nächsten Tag früh, es war der 4. od. 5. Mai ging der Vormarsch an. Wir marschierten über Tuchow, das total zusammengeschossen war, in der Nacht dann weiter und kamen nach ca. drei Stunden in Tarnow an. Übernachteten in einer Eisenbahnerwohnung, wurden gut bewirtet mit heißem Kaffee, dann ging es eilig weiter, in Tarnow gab es viel Weißbrot und Keks zu verkaufen. Die Judenbengel riefen uns Hoch zu und so ging es in der Hitze weiter, einen bekannten Weg vom Vorjahr zum San hinaus, wir hatten tatsächlich Angst vor dem viel umstrittenen Fluss, der ja schon so viel Opfer kostete und waren überzeugt, dass sich dort der Russe wieder festsetzen wird, und weiter wird es nicht mehr gehen. Wir kamen nach Gorno, Kamien, Majidan, blieben dort eine Woche, dann oft nur einige Tage. In Gorno ist mir eine ganz annehmbare alte Jüdin untergekommen. Sie schwöret ich sehe ihrem beim Militär stehenden Sohn sehr ähnlich, ein sehr nettes junges Mäderl war auch dort. Abends mussten wir fort, einige Stunden zuvor bin ich so fest hergefallen, dass ich dachte es sind einige Rippen hin, hatte damit 8 Tage zu leiden. Dann ging es hinaus zum San, Sonnwendfeier hielten wir in dem schön ausgebauten Schützengraben ein schöner großer Baum wo wir unten ein Feuer brannten und dazu sangen wird mir lange in Erinnerung bleiben. Tote und halb eingegrabene Russen trafen wir an. Alles ringsum war abgebrannt. Die armen Leute, meistens nur Weiber, alte Männer und Kinder kamen allmählich zurück und standen weinend um ihre ehemaligen Heimstätten, die nun nichts mehr als ein grauer Schutthaufen war. Links von uns war ein großer Waldbrand. Von dort ging es zurück gegen Lezajsk. Wir glaubten, endlich gehe es nach Italien. Doch es ging anders. Wir gingen über den verhängnisvollen San. Zuvor war ich noch in der großen GnadenkircheStare Miasto, dort wo ich voriges Jahr die ersten gefangenen Russen sah. Es waren cirka 1000 Mann und wir dachten kriegsunerfahren, nun wird der Krieg auch gar. Wir blieben in einer deutschen Kolonie (….). Eine alte deutsche Frau redete mich an, ich schenkte ihr einige Kronen, mir erbarmten diese Leute furchtbar. Nach einigen sehr starken Märschen gelangen wir über die russische Grenze, kamen in ein Städtchen, wo es Teeund ..….zu kaufen gab. Immer weiter in Eilmärschen bei großer Sonnenhitze durch den endlosen Sand. Später wurde die Gegend sehr fruchtbar. Tag und Nacht waren wir auf den Beinen. Furchtbaren Durst muss­ten wir leiden. Manchmal trafen wir einen Kirschbaum an, der natürlich gleich von allen Sei­ten gestürmt wurde. Wir waren immer knapp hinter dem Regimente, beinahe sämtliche Be­völkerung war in die Wälder geflüchtet. Es kam eine sehr schöne Zeit. Lislavicehieß ein Ort, viele Störche waren dort, Sumpf und dabei aber eine sehr fruchtbare Gegend. Dort blieben wir circa acht Tage. In den Wohnungen war es vor Unrat, Gestank und Ungeziefer nicht zum Aushalten. Wir arbeiteten im Freien auf herbeigeschleppten Truhen u.s.w. und schliefen die ganze Zeit im Zelte. Einmal 12 h nachts Alarm, wir gingen cirka fünf Stunden zurück, nächsten Tag aber wieder vor. Bald links, bald rechts. Niemand wusste, was eigentlich los war. Einen alten Polen, der allein im Dorfe zurück geblieben war, weil er mit den Jungen nicht mitlaufen konnte, fütterten wir täglich mit Fleisch, Brot und Suppe. Der Arme war ganz ausgehungert. Wieder weiter ging unser Weg. Geschossen wurde manchmal ganz schrecklich. Wir hatten große Verluste. Beiläufig vier Stunden in einer kleinen Stadt hielten wir uns wieder acht Tage lang. Damals war gerade die Cholera sehr stark vertreten. Manchmal wurde uns sehr angst, da einige von unseren Leuten erkrankten und die meisten gestorben sind. Wir lebten in einem verfallenen Haus. Fast kein Aushalten war, Flöhe, Fliegen, Hitze, Staub u.s.w. brachte uns beinahe oft zur Verzweiflung. Sogar im Zelte war es nicht zum Aushalten, schlief trotz der großen Müdigkeit erst ein, wenn der Tag schon anbrach. Auch die Verpflegung war damals sehr mangelhaft. Einmal musste ich zum Gefechtstrain, dort war alles abgebrannt. Die Leute lebten in provisorisch gebauten Hütten, die allerdings sehr mangelhaft waren und für längere Zeit nicht standgehalten hätten. Ein mit dem Marschbaon mitgebrachter Offiziersdiener (Mä­del aus Salzburg) mit ihren geschorenen Kopfe und kleinen Füßerl ist mir auch noch in Erinne­rung. Was mit dem dummen Ding geschah, weiß ich allerdings nicht. Entschieden war es eine große Frechheit von zwei Seiten. Wir marschierten. Eines Tages gelangten wir in den Bereich, wo im Vorjahr die Unseren kämpften in den Septembertagen. Große Massengräber, unsere und russische, bewiesen uns diese traurige Stätte. Mangelhaft ausgebaute Deckungen waren noch zu sehen. Einen von unserem Regimente, der vor wenigen Tagen gefallen war, begrub man und setzte dem Armen ein schönes Kreuz. Einheimische begegneten uns mit Weib, Kind, Rind und Hausgerät. Lublin war von den Unseren genommen und so wurden auch diese Leute befreit und konnten wieder zurück in ihre Gehöfte, die freilich arg zugerichtet waren. Das Hausgerät lag überall in den Gärten umher. Dies deshalb, damit im Falle das Haus verbrennt, doch nicht alles hin ist. Gegen Abend gelangten wir in einen schönen Hof, übernachteten endlich wieder einmal in einem Zimmer. Jedoch wieder war kein Schlafen möglich und um vier Uhr war Weitermarsch. Gegen Abend blieben wir in einem Schlosse circa ½ Stunde außerhalb Lublin. Abends ging ich in die Stadt. Ganz sonderbar kamen uns die Menschen vor, wir sahen ja doch so lange Zeit nichts wie recht schmutzige Weiber und Kinder und auf einmal dieses elegante Treiben. Wir konnten uns kaufen ein anständiges Essen. Wie dies alles schmeckte, waren ja furchtbar ausgehungert und von dem ewigen Einerlei ganz satt. Die dortige Bevölkerung erwies sich sehr freundlich undschon in den ersten Tagen ließen sich sehr viele zur polnischen Legion anwerben. Oberlt. Reisenbichler, ( Dr. jur. Josef, 34, + 30.7.1915 bei Lublin ) unser Postoffizier, wurde unter zahlreicher Beteilung des Zivils dort begraben. Er stürzte vom Pferd so unglücklich und wurde erschlagen. Uns war doch recht leid um ihn. Nächsten Tag wurde wieder in die Stadt marschiert und wohl auch dem Guten etwas zu viel getan. Bordeauxwein tranken wir zur Genüge, spielten Klavier und sangen dazu. Es war eine wunderschöne Nacht, die mich trotzdem es etwas toll herging, doch niemals reuen wird. Wir dachten, wer weiß, bis wann wir endlich wieder ein­mal zu so einem guten Tropfen kommen können, und so war es auch. Den ersten Tag wurde von den Russen, die knapp außer der Stadt auf einem Höhenrücken verschanzt waren, noch fest hereingeschossen. Doch niemand ließ sich dadurch irre machen. Ein junges Judenmädel, weiß ich, wurde getroffen, als ich dort war. Plötzlich war Abmarsch, wieder furchtbare Hitze, wir passierten in Eile die Stadt, weiter ging es hinaus, dem Regimente nach. Nun war vor uns wieder die ewige endlose Sandwüste, die uns schon so viel Schweiß kostete. Wie die Müller sahen wir aus, voll von Staub und Schmutz. Wir schlugen die Richtung ein gegen Brest Litowsk. Überall mussten die Russen weichen. Durst, Hunger und Müdigkeit musste überwunden werden, was hätte es genützt, zurückzubleiben. Die Nachtmärsche waren uns am meisten mitgenommen, oft stolperte man über Wurzel und Gräben, gerne wäre man liegen geblieben und sofort eingeschlafen vor Erschöpfung. Scheinwerfer, die die finsteren Nächte noch mehr ……………, dazu das ewige Gebrumm und Gepolter wurde uns schon beinahe Nebensache. Manchmal dachte ich mir, wenn wir nur endlich einmal angeschossen würden, ein guter Schuss wäre gewiss nicht das Schlechteste gewesen. Übrigens hätte man sich dabei auch den Zorn ein wenig dämpfen können. Meinen Stutzen gab ich den ganzen Tag nicht vom Rücken herunter. Als es Tag wurde, war unser Bestimmungsort erreicht. Es regnete nur wir krochen in unser Zelt: Die Nacht zuvor schliefen wir unter unseren Mänteln im Freien. Wasser gab es in dieser Gegend fast gar keines, daher uns ein Gussregen sehr angenehm war, um endlich das Gesicht wieder einmal etwas reiner zu bekommen. In einem russ. Schulhause verblieben wir acht Tage lang. Es wurde sehr schlechtes Wetter. Nachts la­gen wir häufig auf Stroh im Freien oder im Zelt. Von dort ging es eines Mittags zurück, an­geblich nach Italien, wir hatten trotz der Gewaltmärsche prächtigen Humor, doch bald erkannten wir, dass auch diesmal unsere Freude ins Wasser fiel. Tag und Nacht waren wir auf der Straße voll mit Staub und Schmutz, so dass einer den anderen kaum erkannte. Das Essen gewöhnte man sich beinahe ganz ab. Ein Stück Brot und schwarzer Kaffee war uns das liebste. Rindfleisch stank ja so meistens. Wir passierten Parzew und schlugen die Richtung Cholm ein. Die ersten acht Tage Marsch waren vorüber. In einem großen Walde hielten wir bei einem Flascherl Schnaps, das uns der Hr. Hptm. schenkte, Kaiserfeier. Wie müde und abgespannt wir waren und doch wurde vor dem Einschlafen noch gesungen „Ein frisch Leben führen wir.“ Einem Zigeunerleben glich dies aber ähnlicher. Gegen alles war man teilnahmslos. Wir sahen die festungsartigen Drahtverhaue und Deckungen der Russen, kamen an eine endlose Sumpfgegend, die mit der allzu bekannten Sandwüste abwechselte. Unterstände gab es überhaupt nicht. Dörfer mit einigen 100 Häusern alles ein Schutthaufen. Alles brannte der Russe bei seinen Rückzügen zusammen. Die Deutschen hatten vor einigen Tagen dort die großen Kämpfe. Verwundete wurden daher gefahren, ganz junge, blasse echt deutsche Gesichter sah man. Keiner stöhnte, obzwar manchen der Sensenmann schon am Genicke saß. Auf einen erinnere ich mich, er war auf einem landesüblichen Fuhrwerk gebettet, ein Polak fuhr damit wie ein Schwärzer. Dieser hatte wahrscheinlich den Befehl, so schnell als möglich in das Notspital zu kommen. Er schlug immer auf seine zwei kleinen Rössl ein und bemerkte nicht, dass sein armer schwer verwundeter Passagier ja schon tot war. Solch oder ähnlich war ja fast jeden Tag zu sehen. Wir kamen zu den großen Schlachtfeldern, wo zwei Tage zuvor die Deutschen verzweifelt mit einer großen Übermacht kämpften. Gewehre und Rüstzeug lagen in Haufen herum, in einem Schilfhause übernachteten wir, arg schaute es aus. Rings um unser Haus waren frische Gräber von deutschen Soldaten. So nahe lagen wir wohl auch noch nie bei den Toten. Nur Erbarmen hatten wir mit den armen Kollegen, Furcht wohl gewiss keiner. Nächsten Tag ging es durch die schöne Stadt Cholm mit ihren goldenen Kirchenkuppeln. Wir hatten immer große Eile. Tag für Tag riesige Märsche, kopfhängend trotteten wir den ebenso kaputten Gäulen nach. Nun ging es über den Bug ins wirkliche Rotrussland. Kosaken in der Nähe – war die tägliche Ermahnung unserer Kommandanten. Achtung in der Nacht und Waffen in Stand setzen. Das taten wir zwar, nachts wurden wir öfters alarmiert und lugten gespannt aus unserem Zelt in die mondhelle Nacht hinaus.


 

Die Postkarte von Reisenbichler

Auszeichnung Eisernes Verdienstkreuz mit der Krone

 

RUO Ammerer wurde in Russland, im November 1915, gebeten für die Postkarte des bekannten "Rainermalers" Karl Reisenbichler Modell zu stehen. Er ist auf dieser Karte der Mann mit dem Säbel, in der Reihe hinter dem Fahnenträgers. Die Karte hat Herr Ammerer beschrieben und gerahmt und ist heute im Besitz der SWGR.

 

Die Auszeichung und die Legitimation ist ebenfalls aus der Hinterlassenschaft des RUO Ammerer. Ammerer bekam auch das Silberne Verdienstkreuz mit der Krone in seiner Zeit im Regimentsstab des IR 59.

 

 


 

Karl Reisenbichler

Maler & Radierer

geboren: 1885.03.02, Attersee

gestorben: 1962.12, Salzburg

tätig in Salzburg

Schaffenszeit: 1900-1962 in Österreich

 

Ausbildung an der Wiener Akademie unter Christian Griepenkerl, William Unger und Alois Delug. Tätig in Salzburg. Werke: Ölbilder in Salzburger Museen; Notgeldentwürfe, Fresken im Sternbräu, Zipfer Brauhaus, Salzburg; Sgraffiti an Hausfassaden in Salzburg, Steyr, Bad Aussee, Mondesee und in der Kirche in Ebensee. Schuf 1921 ein Plakat zur Salzburger Volksabstimmung über den Anschluß an Deutschland. Stellte auf der Austellung "Berge und Menschen der Ostmark" im Künstlerhaus, Wien 1939, das Ölgemälde "Salzburg" sowie Bleistiftzeichnung "Schilehrer" aus.

 

Literatur: Thieme-Becker, Bd. 28, S. 140
Literatur: Vollmer, Band IV, 1958, S. 43
Literatur: Fuchs, Maler 1881-1900, Band 2, S. 62
Literatur: Kunst in Österreich. Künstler-Adressbuch, Leoben (Steiermark) 1934, 252

Urheber-Institution: ONB, bearbeitet von: Smetana

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